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Jubilare im Gespräch

Zu unserem 40jährigen Jubiläum haben wir uns einen weiteren jubilaren Wegbegleiter eingeladen, um ein wenig die Vergangenheit der Zeitungs- und Medienbranche Revue passieren zu lassen.

Jens Emmerich, Geschäftsführer von alfa Media, im Gespräch mit Ullrich Villinger, Geschäftsführer des Zeitungsverlags Waiblingen.

 

alfa Media feiert im Juli 2021 den 40. Geburtstag der Firma, während das Jahr 2021 für den Waiblinger Zeitungsverlag bereits „die runde 50“ bereitgehalten hat. Der ZVW hat seine Verlagswurzeln schon im Jahr 1839 im Intelligenzblatt, vor 50 Jahren kam dann der Zusammenschluss. Wie fühlt man sich mit so einer Geschichte?

Ullrich Villinger: Ich habe den Vorteil, dass wir in der Familie jetzt nicht sofort dabei waren. Der Ur-Opa wollte unbedingt in den Landtag. Und ihm wurde gesagt, „wenn du das machen willst, brauchst du eine Zeitung“. Also hat er das zusammen mit dem Schwager und dem Vetter gemacht und beide später Zug um Zug rausgekauft. Aber in den Landtag hat er es dennoch nicht geschafft. Der Großvater hat im 3. Reich dann auch die Zeitung verloren. 1951 konnte die Zeitung im Zuge der Wiedergutmachung dann zurückerworben werden.

Väterlicherseits waren wir schon immer in Waiblingen, seit 1763, zuerst als Seifensieder, dann später mit einem Modegeschäft am Marktplatz. Die Zeitung war um die Kriegsjahre herum nicht so erfolgreich, da hat unser Modegeschäft die Zeitung wirtschaftlich „gerettet“. Mein Vater hat die Zeitung dann übernommen, neu gebaut, aufs rheinische Format gewechselt und 1971 schließlich die Fusion zum ZVW. Die war wirtschaftliche dann eine neue Hausnummer. Wir konnten unheimlich viel machen und können dadurch auch mehr machen als manch andere Kollegen.

 

Die letzten Jahrzehnte waren medientechnisch aufregende Jahre, es hat sich in der Branche wahnsinnig viel getan. Inwieweit hat sich die Branche in dieser Zeit verändert bzw. entwickelt?

Ullrich Villinger: In den 1980er und 1990ern hat man als Verleger – wie man so schön sagt – das Geld im Schlaf verdient. Heutzutage ist man wesentlich digitaler unterwegs; und wer das verschläft, für den ist der Zug abgefahren. Die Unsicherheit über die Zukunft hat in den Verlagen zugenommen. Man sieht auch immer mehr bei kleineren Verlagen, dass die stärker unter dem Wandel leiden, weil sie vieles nicht machen können.

Früher – wollte man da etwa sein Auto verkaufen – kam man nicht umhin, eine Anzeige im KfZ-Anzeigenmarkt der lokalen Zeitung zu schalten. Aber das (Klein-)Anzeigengeschäft hat sich zum größten Teil aus der Zeitung hin ins Digitale bewegt. Wir als Verlag haben das Geschäftsmodell nicht verstanden. Uns ging es doch super, also warum sollten wir etwas anders machen? Wir kriegen Geld für Kleinanzeigen, warum sollen wir das aufgeben? Mit der Problematik kamen wir nicht zurecht, das hat unseren Horizont überschritten. Das sind Veränderungen im Verlagsgeschäft, die einen an der Basis treffen, aber alles entwickelt sich weiter. Wir haben uns darauf eingestellt und sind für die Zukunft gut aufgestellt.

Jens Emmerich: Ich kam 2002 zu alfa Media. Noch aus meiner Zeit davor, genaugenommen aus dem Jahr 2000, habe ich eine alte Präsentation von mir gefunden. Da habe ich vorgestellt, wie „digital“ gedacht werden kann. Also, wo wie Verlage sich auf das digitale Zeitalter einstellen sollen. Schon damals sollte es nur SaaS-Modelle geben! Kaum 25 Jahre später ist es dann tatsächlich schon soweit. Bei alfa Media hatten wir damals schon viele SaaS-Lösungen. Vielleicht waren wir zu früh dran, die Ideen waren zwar da, aber es kam nicht zur gemeinsamen Umsetzung. Jetzt wird allerdings wieder aufgeholt.

 

Was war aus Ihrer Sicht eine entscheidende Wegmarke im Zeichen der Digitalisierung?

Ullrich Villinger: Anfang 1990, da waren nur vereinzelt Computer in der Redaktion, die grünen alfa Monitore, eine unvorstellbare Leistung damals. Kurz darauf kam aber auch schon das Faxgerät auf, das hat wieder vieles verändert. Da war die Frage, schafft man sich die an, wenn ja, wie viele? Letztlich hatte jede Geschäftsstelle bei uns eins. Die Faxe unserer Anzeigenabteilung waren allerdings so stark ausgelastet, so mit 500 bis 600 Faxen über das Wochenende, dass die Geräte alle zwei Wochen kaputt gingen. Und dann ging es weiter mit dem Thema „Internet“. Reicht ein PC mit Internetzugang? Das waren Gespräche und Diskussionen, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Wie wir alle wissen, ist ja aus den Faxen dann die E-Mail geworden und wenn das Internet heute mal nicht da ist, dann ist Chaos im Haus. Alles kommt per E-Mail, ohne Internet fällt quasi der Verlag auseinander.

Als Steve Jobs damals mit dem ersten iPhone auf den Markt kam, das war eine entscheidende Entwicklung. Heute gibt es keine Telefone mehr mit Tasten, das hätten wir uns nicht vorstellen können. Aber aus diesem Sprung folgten auch große Nutzungsmöglichkeiten für Verlage.

Jens Emmerich: 2007 war ich beruflich in den USA und hab mir dort auch direkt das neue iPhone im Laden angeschaut. Ich erinnere mich noch gut, wie ich direkt getestet habe, ob unsere ePaper-App auf dem Smartphone funktioniert – und das tat sie, das hat mich ein wenig geflasht. Noch aus dem Apple Store heraus habe ich in Deutschland angerufen und gesagt, dass wir sowas brauchen. Das was ich da in der Hand hatte, das war eine digitale Revolution, da liegt die Zukunft drin, immer noch!

 

Hat alfa Media hier Hilfe leisten können, mit dem Fortschritt Schritt zu halten?

Jens Emmerich: Bei alfa Media haben wir den Slogan „Leidenschaft für Innovation“ für unser 40jähriges Jubiläum gewählt – das schreibe ich mir persönlich auch auf die Fahne. Vielleicht ist das nicht immer wirtschaftlich klug, wenn man bei den „first movern“ dabei ist, aber da habe ich richtig Freude dran. Ich gehe davon aus, dass wir als Lieferant Sie hoffnungsvollerweise inspiriert haben. Wir waren meistens doch eher vornedran.

Ullrich Villinger: Das kann ich so bestätigen. Es kommen immer wieder neue Ideen ins Haus. Welche Schritte gehe ich, was muss ich umsetzen. Früher war die Anzeigenerfassung für den Außendienst sehr aufwändig, da musste man sich durch 3 bis 5 Masken klicken. Heute ist das alles in einer Maske, in einer App, wo alles ist, was man braucht. Auch digitale Auftragsmappen funktioniert jetzt sehr gut bei uns. Da hat jemand mit Erfahrung im Verlagswesen für Verlage mitgedacht.

Jens Emmerich: Gerade auch im Gespräch mit unseren Kunden lernen wir für unsere Produkte immer auch Neues dazu. Man muss diese Wege gemeinsam gehen und in die richtige Richtung gelenkt werden. Ohne Feedback wäre das ein zäher Prozess und lange nicht so erfolgsversprechend.

 

Was wünschen sie sich denn von uns?

Ullrich Villinger: Das ist schwierig – an manchen Stellen bin ich auch einfach nicht mehr tief genug drin. Aber das Problem, das alle Verlage haben ist; sie haben den Traum, dass sie ein einziges Programm haben, das alles kann. Letztlich habe ich dann doch viel mehr Programme im Haus, weil sie alle spezifisch und nötig sind. Aber alfa ist da das richtige Programm für uns.

 

Das  bringt uns doch auch zu der Frage: Was hätten Sie sich vor 20 Jahren gewünscht, das heute selbstverständlich sind?

Ullrich Villinger: Die Annahme, ich hätte keinen Computer, oder besser gesagt E-Mails, ist unvorstellbar geworden. Auf mein Handy könnte ich noch am ehesten verzichten. Aber ohne E-Mails funktionieren wir nicht mehr. Selbst im Urlaub bearbeite ich Mails, damit ich nicht bei meiner Rückkehr von der Masse erschlagen werde. Die Alternative wäre ja, ich ignoriere alles. Man schaut aber immer rein. Eigentlich stimmt mich das auch nachdenklich.

Jens Emmerich: Das sehe ich ebenso. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Firmen, auch große Firmen, die den E-Mail-Verkehr ab 18 Uhr abschalten, damit man sich vernünftig erholen kann. In der Medien- und Verlagsbranche ist das natürlich schwieriger umzusetzen. Nachrichten und Meldungen kommen ja rund um die Uhr eingelaufen, es gibt keine Nachtruhe und irgendwo auf der Welt passiert immer etwas, über das berichtet werden muss. Da würde man letztlich einfach vieles verpassen. Ein schwieriges und zugleich spannendes Thema.

 

Durch die Anfang 2020 einsetzende die Pandemie-Situation hat sich in Deutschland viel in Sachen Digitalisierung getan, wie haben Sie das erlebt?

Jens Emmerich: Bei uns konnten alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von jetzt auf gleich zuhause im Homeoffice loslegen. Wir hatten zuvor bereits ein Homeoffice – Szenario durchgespielt und uns entsprechend eingerichtet. Als es durch Corona dann auch Wirklichkeit wurde, hatten wir technisch keine Probleme, diesen „Betriebswechsel“ umzusetzen. Die Umstellung auf Microsoft Teams hatten wir praktischerweise zum Jahreswechsel 19/20 durchgeführt und hatten dadurch direkt auch eine Homeoffice Infrastruktur, die wir im ganzen Unternehmen nutzen konnten. Ich würde sogar sagen, dass sich die Kommunikation bei uns verbessert hat. Unsere vier Betriebsstandorte sind sich so auch insgesamt nähergekommen. Zwischen Rödermark, Kiel, München und Koblenz ist plötzlich keine Strecke mehr zu überwinden und man sieht sich dank Video-Calls viel öfter.

Ullrich Villinger: Wir standen damals vor der Frage, ob wir unsere Software umstellen oder neue Hardware anschaffen und haben uns glücklicherweise richtig entschieden. So konnten wir alles Zug um Zug umsetzen und dann auch gleich von Zuhause alles bedienbar für unsere Mitarbeitenden machen. Die Homeoffice – Rate bei uns in der Redaktion lag zum Teil bei etwa 80 Prozent und wir haben das recht streng gehandhabt, wir wollten da kein Risiko eingehen. Trotz der Einführung von Zoom und Teams hat die Kommunikation untereinander leider etwas gelitten. Gerade für Volontäre, wenn Fragestellungen oder Probleme auftauchen, aber auch innerhalb der Redaktion, die von Diskussionen miteinander lebt. Was ich als sehr positiv empfinde ist, dass Gespräche und Sitzungen nun schneller gehen, da die Wegzeiten entfallen.

Jens Emmerich: Das ist etwas, das mir auch unglaublich positiv aufgefallen ist und ich denke, dass Meetings in Zukunft vermehrt online stattfinden werden. Die Zeitersparnis ist zum Teil enorm, aber Teams hat auch den Nachtteil, dass man sich nicht in die Augen sehen kann. Das ist schon etwas anderes von Angesicht zu Angesicht. Eine gesunde Mischung aus beiden Welten ist aus meiner Sicht eine praktikable Lösung.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Nadine Kaiser