„Tiktok? Oh nee, bloß nicht“ – Warum diese Aussage Ihre Chancen minimiert
Ja, stimmt: Neue Medien und neue Kanäle schießen zuweilen wie Pilze aus dem Boden. Und nicht selten bringen sie erstmal viel Verunsicherung und Ablehnung mit sich. Besonders wenn es sich um Kanäle handelt, die mit dem eigenen Kerngeschäft eher wenig zu tun haben.
Die letzten beiden Hypes um neue Kanäle drehten sich um Clubhouse – ein exklusiver Kanal, der nur mit Einladung zu erreichen war – und TikTok, dessen Zielgruppe deutlich jünger ist als die der anderen Social Media. Gerade bei letzterem spielt vielleicht auch die Entstehungsgeschichte eine Rolle. Geboren aus der Welt des Cosplays und der Lyp-Syncs sehen Zeitungsverlage wohl wenig Schnittmengen zu einer seriösen und demokratisch-wirksamen Berichterstattung Für die jüngeren Generationen ist es aber gerade aufgrund der populären Ursprungsidee zu einem beliebten Portal geworden. Bevor wir TikTok also direkt als irrelevant für die journalistische Branche ansehen, werfen wir einen Blick auf die Zahlen:
TikTok hat sich seit seiner Gründung 2017 und der Zusammenlegung mit musical.ly zu einer Plattform entwickelt, die bereits im September 2021 eine Milliarde aktive Nutzer:innen verzeichnete (Quelle: statista.com), inzwischen dürfte sich die Zahl noch erhöht haben. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei ca. einer Stunde. Dabei wurde das Medium zunächst deutlich von Jüngeren dominiert: laut einer Social-Media-Agentur waren 69 % der Nutzer:innen zwischen 16 und 24 Jahre alt, nur 31 % älter als 25. Inzwischen hat sich das Medium jedoch auch bei älteren Zielgruppen etabliert, so sind inzwischen 67 % der User:innen über 25 Jahre alt, allerdings sind davon nur 11 % über 50 (Zahlen aus dem Jahr 2021). Alleine 2021 wurde TikTok 656 Millionen Mal heruntergeladen (Quelle: statista.com) und auch die Zahl an namhaften Unternehmen, die TikTok als Kommunikations- und Werbeportal nutzen, steigt deutlich an. Selbst offizielle Behörden wie bspw. die Polizei (Polizei NRW, Polizei Berlin) nutzen Tiktok als Aufklärungs- und Image-Plattform sowie um neue Anwärter:innen zu motivieren, sich bei der Polizei zu bewerben.
Gerade für Unternehmen, die neue Zielgruppen erschließen möchten, ist es unerlässlich, sich auf neue Medien einzulassen und ihnen mit Aufgeschlossenheit zu begegnen. Nach einer Analyse auf die eigenen Ziele und Visionen lässt sich immer noch eine Entscheidung gegen ein Medium treffen, aber zumindest die Möglichkeiten in Betracht ziehen, sollte man als zukunftsorientiertes Unternehmen schon. Besonders in einer Welt, die von Innovationen und Trends geprägt ist, kann man es sich heute nicht mehr leisten, einen neuen Kanal oder ein Medium sofort ad acta zu werfen, ohne die Chancen eruiert zu haben. Wenn Sie das Bedürfnis haben, ein solches sofort abzulehnen, fragen Sie sich bewusst, warum Sie das tun, und welche Möglichkeiten Ihnen dadurch vielleicht durch die Finger schlüpfen.
Natürlich sollte eine Zeitung nachher keinen Unterhaltungskanal für Nachrichten aufmachen, in dem die notwendige Ernsthaftigkeit für wichtige Meldungen verloren geht. Aber schauen Sie sich an, ob es nicht vielleicht doch für Sie und Ihren Verlag Möglichkeiten gibt, das Medium TikTok zu nutzen, um eine deutlich jüngere Zielgruppe zu erschließen. Und sei es die Berichterstattung kultureller Events in Ihrer Region, die über Reels und Kurzvideos anschaulich und authentisch präsentiert werden.
Verlieren Sie dadurch an Seriosität und Glaubwürdigkeit? Ich denke nicht. Eher zeigen Sie sich als wandlungsbereit und zukunftsfreudig, als Unternehmen oder Verlag, der aufgeschlossen gegenüber den Bedürfnissen und Präferenzen der jüngeren Generationen ist. Eine Trennung der Berichterstattung zwischen kulturell-lokalen und demokratisch-relevanten Nachrichten ist ja durchaus möglich, wenn Sie ein gutes und zielgruppen-angepasstes Konzept der Content-Gestaltung entwickeln. Die große Chance ist es, den Jüngeren zu zeigen, dass die Kombination aus Nachrichten und Trends möglich ist und dass auch Zeitungen den Wandel der Digitalisierung als Chance erleben. Sucht man selbst nach bspw. dem Begriff „Zeitungsartikel“ lässt die Vorschlagsliste zumindest erahnen, dass auch andere bereits nach entsprechenden Inhalten gesucht haben, wie abschließender Screenshot aus der App verdeutlicht.
In diesem Sinne: Bleiben Sie aufgeschlossen.