Kategorie: Blog
Autor:in: Silke Jungblut

NFT – Spielerei oder Potenzial?

NFTs sind bereits seit einiger Zeit ein Begriff, der immer wieder – vor allem im Zusammenhang mit dem Web3 – auftaucht. Die Abkürzung, die für „non-fungible token“ steht, beschreibt ein Zertifikat bzw. eine Wertmarke über die Echtheit und den Besitz einer digitalen Datei. So werden Besitzer:innen von NFTs quasi Eigentümer digitaler Dateien. Was das Format angeht, ist der Spielraum groß, inzwischen werden sogar Teil-Dateien bzw. Pixel als NFTs verkauft.

NFTs und Blockchain

NFTs werden in sogenannten Blockchains gespeichert. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine Datenbank, in der Datensätze (Blöcke) hintereinander zu einer Datensatzkette (Blockchain) zusammengefügt werden. Da die neuen Blöcke chronologisch aufgereiht werden, zeichnet sich dadurch schon eine Historie der eingefügten Datensätze (Blöcke) ab. Besonders spannend ist, dass die Datensätze nicht nur zentral gelagert werden, sondern an alle geschickt werden, die in einem Blockchain-System Mitglied sind. So werden Manipulationen schwieriger, denn man kann über mehrere Systeme hinweg die Echtheit eines Datensatzes validieren. Verschlüsselungen und der Einsatz von Prüfsummen helfen zusätzlich dabei, die Sicherheit der Blockchain zu erhöhen. Besonders bekannt ist die Nutzung von Blockchains wohl im Zusammenhang mit Krypto-Währungen wie bspw. Bitcoins, aber auch in der Diskussion und Entwicklung des Metaverses.

Aber zurück zu den NFTs

Der Zusammenhang zwischen dem Erwerb und Besitz eines NFTs sowie der Blockchain-Technologie ist deswegen so wichtig, weil über letztere der Erwerb einer digitalen Datei rechtssicher belegt werden kann. Hier werden alle Informationen gespeichert, die den Eigentümer einer digitalen Datei als solchen ausweisen, denn das ist – der Sache geschuldet – beim Erwerb und Vertrieb von digitalen Dateien auf anderen Wegen sicher nicht ganz einfach. Ein NFT wird also zu einer Besitzurkunde einer digitalen Datei, abgesichert durch die Blockchain.

Beispiel: Karin L. kauft ein digitales Gemälde als NFT. Sie erhält also das Zertifikat darüber, dass sie Eigentümerin der digitalen Bild-Datei ist. Da die Informationen über den Kauf, also die Transaktion selbst, in der Blockchain gespeichert, verifiziert und dokumentiert ist, kann sie rechtssicher belegen, dass ihr diese Datei gehört. Sollte nun eine weitere Person behaupten, die digitale Datei gehöre ihr, kann Karin L. beweisen, dass dem nicht so ist. Manipulationsversuche werden schon dadurch schwierig, dass in der Blockchain jedes Mitglied des Blockchain-Systems die Transaktion des Kaufs von Karin L. als dezentrale Kopie gespeichert hat.

Nun verkauft Karin L. die Bilddatei an Thomas H. Auch diese Transaktion wird in der Blockchain gespeichert. Durch die chronologische Reihenfolge der Datensätze, die ebenfalls in der Blockchain dokumentiert wird, kann nun auch nachgewiesen werden, wer zu welcher Zeit Eigentümer der digitalen Datei war. Wiederum recht manipulationssicher aufgrund der dezentralen Datenlagerung bei allen Teilnehmenden einer Blockchain.

Natürlich gibt es auch Schwachstellen und wie allem in der digitalen Welt kann eine Manipulation nicht zu 100 % ausgeschlossen werden. Hat man bspw. Einfluss auf mehr als die Hälfte der Knoten innerhalb der Blockchain, sind Manipulationen durchaus denkbar. Auch in Hinsicht auf Datenmengen, Performance und Speicherungen gibt es sicherlich offene Fragen. Wer sich dafür interessiert, findet im Netz zahlreiche Plattformen, die Vor- und Nachteile diskutieren.

Der Sinn von NFTs

Man könnte sich jetzt berechtigterweise fragen, was das Ganze soll. Was ist der Sinn dahinter, eine digitale Datei für viel Geld zu kaufen, um sie dann zu besitzen, wenn eine digitale Datei doch flüchtig, leicht kopierbar und quasi massenhaft verfügbar ist oder zumindest sein kann. Verständlicher wird es vielleicht, wenn wir wieder das Beispiel des Gemäldes heranziehen. Ein Gemälde gibt es ebenfalls in verschiedenen Formen: Als Original, als Kunstdruck oder sogar als digitale Datei zum Download. Das Original gibt es jedoch nur ein einziges Mal. Es ist das Ursprungswerk, das mit Pinsel und Farbe aus der Hand des Künstlers oder der Künstlerin selbst geschaffen wurde. Drucke sind zwar ebenfalls schön anzusehen, aber eben „nur“ eine Kopie des eigentlichen Werkes. Natürlich kann man jetzt sagen, dass es bei einer digitalen Datei kein Ursprungswerk gibt (außer der zuerst gespeicherten Datei selbst). Hier kommt nun die Galerie ins Spiel. Hängt das Gemälde in einer Galerie, gehen wir davon aus, das Original zu sehen. Wir bestaunen das Bild, das vom großen Meister Van Gogh selbst gemalt worden ist. Zu 100 % sicher sein können wir als Laien uns da allerdings nicht, wir vertrauen aber auf die Richtigkeit dessen. Wir können allerdings auch Fotos machen von diesem Gemälde, besitzen ein Bild davon also nun selbst, z. B. auf unserem Smartphone. Auch hier werden also haufenweise Kopien angefertigt, die wir nicht kontrollieren können; es gibt aber nur ein einziges Original. Im Web3 wird nun die Blockchain zur Galerie, in der das NFT das Originalwerk ist, das nur einer Person gehört, auch wenn viele es betrachten oder „fotografieren“, also kopieren können. Das NFT, das Zertifikat, belegt die Echtheit dieser einen Datei, ähnlich einem Echtheitszertifikat bei Kunstwerken.

Nutzungsmöglichkeiten für Verlage?

Jetzt der spannende Teil: Gibt es Nutzungsmöglichkeiten für Verlage? Löst man sich von den empfundenen Unsicherheiten zum Web3 an sich und den Kryptowährungen, kann man sagen: Ja. Denn auch wenn es auf den ersten Blick keinen Sinn zu machen scheint, redaktionelle Inhalte aus dem eigenen Verlag als NFT anzubieten, sollte man sich auch hier nicht direkt gegen Potenziale verschließen. So schwer das auch für Nicht-Digital-Natives zu verstehen ist, gibt es einen Markt für alle möglichen Formate von NFTs.

Auf der DMEXCO 2022 durfte ich mich mit einem Blockchain-Experten unterhalten, dem ich die Frage gestellt habe, welche Möglichkeiten er für Verlage auf dem NFT-Markt sieht. Begeistert nannte er bereits einige Beispiele, zum Beispiel den Verkauf von Artikel-Überschriften oder Absätzen. Bei Büchern wird es bereits gemacht, erzählte er weiter. Man kann nicht nur das Cover eines Romans erstehen, sondern auch die Charaktere innerhalb der Handlung, inklusive ihrer Kleidung. Selbstverständlich können wir bei Zeitungsberichten nicht die betroffenen Personen veräußern, das wäre schon aus ethischen Gründen mehr als fragwürdig. Aber die redaktionell geschaffenen Inhalte ließen sich sicher als NFT anbieten, nicht nur die Überschriften für verschiedene Kanäle und Medien.

DPR weist im Februar-Magazin (#1/2/ 2023) darauf hin, dass der französische Verlag 20 Minutes erste Gehversuche mit NFTs gemacht hat. Hier wurden nicht nur Kunstwerke verkauft, sondern ebenfalls exklusive Einblicke direkt in den Newsroom des Verlags via Discord. Ein NFT wurde für 280 Euro verkauft, die experimentelle Menge von 999 Stück war nach 15 Stunden ausverkauft und das Magazin 20 Mint im Web3 geschaffen. Es ist nun das größte Web3-Magazin am Markt.

Neben der Einnahme der Gelder hat der Prozess auch weitere Vorteile. Über Discord steht der Verlag mit den NFT-Holdern in direktem Kontakt. Diese können nicht nur eigene Inhalte beisteuern, die in 20 Mint veröffentlicht werden, sondern dienen auch dem direkten Feedback von redaktionellen Inhalten, um ihre Relevanz direkt von den „Lesenden“ beurteilen zu lassen. Da Community-Building auch für Verlage und Lokalredaktionen eine immer größere Rolle spielt, entsteht hier eine echte Win-Win-Situation.

Und was schließen wir jetzt daraus?

Wie immer ist die erste Bitte: „Bleiben Sie aufgeschlossen“. Auch bei Themen, die auf den ersten Blick für die eigene Branche keinen Sinn zu machen scheinen. Bilden Sie Projekt-Gruppen und investieren Sie ein paar Stunden in die Überlegung, ob man Potenziale sehen könnte, ob es Monetarisierungsmöglichkeiten gibt. Wägen Sie Aufwand gegen Nutzen ab und öffnen Sie sich für Experimente. Die Digitalisierung wird unsere Zukunft sein und wir müssen uns immer mehr darauf einlassen. Erst wenn wir uns mit den Thematiken wirklich auseinandersetzen, werden die Ideen kommen, welche Potenziale sie bergen.